
Ich habe gerade etwas auf Twitter / X gelesen, dass mich sehr zum Nachdenken gebracht hat. Es ging um ein Mädel, dass einen „geheimen Freund“ hat (sie ist 17), und sich wohl Sorgen macht, dass ihr Vater das herausfindet.
Prompt waren ein paar dutzend Männer unten drunter, die schrieben, dass dies Dame es irgendwann einmal bereuen würde, und es Aufgabe der Väter wäre, hier einzugreifen.
Schließt sich irgendwie über drei Ecken an die Geschichte von Orlando an, die ich hier gestern online gestellt habe. Die Frage ist: Ist es besser, auf andere, „erfahrenere“ Männer oder Frauen zu hören, als auf die eigene Wahrnehmung?
„Ich hätte auf meine Eltern, meine Mutter, meinen Vater hören sollen“, ist so ein Satz, den ich schon oft gehört habe. Oder auch „hätte ich besser in der Schule aufgepasst, dann ginge es mir jetzt besser“.
Das ist irgendwie nie meine Erfahrung gewesen. Zuerst einmal: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschen, die „im System“ mitschwimmen, oder sich „hochgearbeitet haben“ unbedingt glücklicher sind oder das Leben haben, dass ich mir so erträume. Besonders interessant sind sie eigentlich auch nicht – es gibt auf jeden Fall solche und solche.
Ein gutes Beispiel ist Orlandos Männlichkeitswahn. Stimmt es wirklich, dass Frauen eine so tiefe Verachtung für alle haben, die nicht voll ihren Lebenszweck leben, oder supermaskulin sind?
Ein Blick auf die Pärchen, die mir so auf der Straße begegnen, scheint das nicht zu bestätigen. Da ist der etwas beleibtere und auch nicht unbedingt superattraktive Middle-Ager mit dabei, der mit seeligen Gesichtsausdruck neben seiner eben so entspannten Ehefrau daherläuft, ein Pärchen im Supermarkt, das auch leicht verkopft / geistig abwesend wirkt, aber auf Nachfrage eigentlich ganz happy wirkt, und, und, und.
Am süßesten war das verliebte Teenypärchen, dass an der Bahnhaltestelle am kuscheln und turteln war. Man kann den beiden nur viel Glück wünschen.
Dagegen durfte ich auch einige Mackertypen kennenlernen, denen die Weiber hinterherzulaufen schienen. Aber sonderlich glücklich wirkten sie nicht, eher aggro, und die Mädels, die ihnen hinterherliefen, waren zwar nicht immer ekelige Zicken, aber auch nicht unbedingt die interessantesten Charaktere.
Wie sieht es mit Ratschlägen in anderen Lebensbereichen aus? Es hält sich aus meiner Sicht die Waage, wobei die schlechten Ratschläge einen deutlich negativeren Impact hatten als die positiven, zumindest gefühlt.
Ein Beispiel: In der Schule wurde mir von meiner Mutter energisch erzählt, dass Leistungen und Interesse am Schulstoff wichtig wären. Hat sich für mich nie bewahrheitet: Als Leseratte habe ich die Schullektüre deutlich schneller durchgelesen als andere (das wurde mir zumindest so erzählt), besondere Sympathie oder Respektbekundungen hat es mir aber nicht gebracht. Es waren die kleinen Rudelkämpfe, die ich nicht verstanden habe, die offensichtlich das wirklich relevante waren.
Das wiederum die überwiegende Mehrzahl von „uns“ irgendwie verletzt, gereizt und – im weitesten Sinne des Begriffs – traumatisiert wirkten, hat so ziemlich niemanden so richtig gekümmert. Stattdessen schienen die Lehrkräfte lieber selbst überleben zu wollen, oder sind irgendwelchen abstrusen pädagogischen Konzepten gefolgt, was eher unglaublich creepy als vertrauenserweckend gewirkt hat.
Und wie sieht es beruflich aus? Mein „Geschäftspartner“ in meinem vielleicht-klappt-es-ja-mal Business wirkt ausgebrannt, sehr verletzt, und verdient zwar 5-stellig (im Monat!), erzählt mir aber, wie unglaublich frustriert er darüber ist, dass seine Teammitglieder zwar das gleiche verdienen wie er, aber sich eigentlich kaum einen Kopf über ihren Job machen.
Er ist ein klassischer Geek oder Nerd, der sich schon zu Teenyzeiten mit Coding und Programmierung beschäftigt, also offensichtlich jemand, der seiner Talentkurve gefolgt ist. Und trotzdem würde ich seine Ratschläge kaum annehmen, da sie oft nicht wirklich etwas für mich sind.
Fazit:
Es überwiegt für mich das zerstörerische, wenn ich an „Tipps“ anderer Leute denke, die angeblich reifer und mir angeblich überlegen sind.
Ach, übrigens: Einer der angeblichen Superpimps in meinem breiteren Bekanntenkreis – jemand, dessen Idiologie sehr an MM erinnert, mit sehr viel Wut im Bauch – hat sich vor einigen Wochen mit einem Plastiksack voller Helium das Leben genommen.
Soviel zu diesem Thema.